Pressetext zur Ausstellung "A-Z" von Manfred Kuttner in der Galerie Johann König, Berlin 2010


"A-Z" – Manfred Kuttner

Johann König, Berlin freut sich, zum dritten Mal Arbeiten von Manfred Kuttner (1937 – 2007) in einer Einzelausstellung zu präsentieren. Gezeigt werden der Experimentalfilm „A-Z“ aus dem Jahr 1963 und das dazugehörige Skript, anhand dessen der Künstler den 8mm Film im Vorfeld der Dreharbeiten konzipierte.

In „A-Z“ (1963) beschreibt Kuttner in schnell wechselnden Bildern die Eindrücke und Menschen, die ihn in seiner Studienzeit an der Düsseldorfer Kunstakademie umgaben. Der Film zeigt Straßenszenen des Düsseldorfer Stadtverkehrs, Close-ups von Straßenschildern und Werbeplakaten sowie Aufnahmen aus Kuttners privatem Umfeld. Zu sehen sind unter anderem Kuttners Frau und die jüngsten Kinder Swen und Titus, aber auch seine Studienkollegen an der Akademie, darunter Gerhard Richter und Sigmar Polke.

Manfred Kuttner hatte wie Gerhard Richter im Jahr 1961 der DDR den Rücken gekehrt. Beide studierten sie nun in Düsseldorf und teilten sich ein Atelier an der Akademie. Zu ihren Studienkollegen in der Klasse von Karl Otto Götz gehörten der Düsseldorfer Konrad Lueg und Sigmar Polke, der schon 1953 aus der DDR nach West-Berlin geflohen war. Die Lektüre des Magazins „Art International“ weckte in der der Gruppe das Interesse für Pop Art, welches in Kuttners Experimentalfilm zu spüren ist.

Schadowstraße Düsseldorf

Formal drückt es sich unter anderem durch die Motive aus Werbung und Medien aus, die Kuttner in Filmbildern einfängt: Straßenschilder und Reklametafeln gliedern die schnelle Abfolge von Szenen, die Kuttner u.a. auf der Schadowstraße in Düsseldorf dreht – eine Einkaufsstrasse mit für die Nachkriegszeit typischer Kulisse. Immer wieder tauchen Frauenporträts auf: Fotos von Pin Up Girls und Filmdiven der 1960er Jahre.

Das Aufblitzen von Medienbildern macht den Film zum historischen Dokument: Zu sehen sind Aufnahmen des letzten öffentlichen Auftritts von Papst Johannes XXIII., der sich u.a. durch die Abschaffung des Fußkusses und die Vermittlung zwischen dem katholischen John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow zur Überwindung der Kubakrise verdient machte.

Ruhigere Bilder findet Kuttner in seiner Wohngegend. Im fast noch ländlichen Stadtteil Unterbach filmt er seine Frau einen Kinderwagen schiebend und seine Söhne Titus und Swen.
In vielen Szenen ist Gerhard Richter zu sehen, der Kuttner bei seinen Dreharbeiten teilweise begleitete. Einen prominenten Platz im Film nimmt Richters Gemälde „Nase“ (1962) ein. Zweimal taucht es auf. Beim ersten Mal lässt Kuttner die Kamera einen Moment lang auf der Malerei einer Nase und vollen Lippen ruhen. Bei der zweiten Aufnahme koloriert er die Bilder des Gemäldes in roter Farbe nach.

Auch Arbeiten von Kuttner sind zu sehen: Den Buchstaben „A“, mit dem der Film startet und das „Z“ für das Filmende, malte der Künstler auf eine Leinwand, die er danach abfilmte. Ebenso das Logo der Spalt-Kopfschmerztablette, das auch auf das Skript geklebt ist.

Nervöses Flackern der Großstadt

Formal wechselt Kuttner zwischen kurzen, gefilmten Sequenzen und Bildern, die er wie ein Foto jeweils einzeln belichtet hat. Dazwischen belässt er immer wieder einzelne Bilder unbelichtet oder belichtet sie vollständig und koloriert sie von Hand in den Farben Rot, Grün oder Gelb nach. Die „Leerstellen“ auf dem Filmmaterial erzeugen beim Abspielen des Films ein nervöses Flackern der Bilder, das die Schnelligkeit und Hektik des modernen Großstadtlebens unterstreicht, das der junge Kuttner in seiner neuen Heimatstadt Düsseldorf vorfand.

Das mit „Filmstudie“ überschriebene Skript verdeutlicht Kuttners konzeptionelle Herangehensweise an das Filmprojekt. Akribisch plante er darin den Film im Vorhinein, auch wenn er sich bei der Umsetzung letztendlich nicht minutiös an seine Studie hielt. „A-Z“ ist auf einer standardisierten 8mm-Filmspule (ca. 3.30 min) gedreht und kommt gänzlich ohne Schnitte aus. Kuttner berechnete im Vorfeld exakt die Anzahl der Einzelbilder des Films und legte für jedes Bild ein Szenario fest.

Für das Skript klebte der Künstler mehrere Bögen Din A4 Papier aneinander und rollte sie anschließend zusammen, so dass er das Papier auf seinem Weg durch die Stadt bequem in der Tasche mit sich führen konnte. In der Ausstellung ist das Skript in einer Vitrine in seiner vollen ausgerollten Länge zu sehen.

Kuttner nutzte das Skript nicht nur als Skizze für den Film: Auf der Rückseite der „Filmstudie“ ist neben mit Bleistift festgehaltenen Leinwandberechnungen in der für sein malerisches Werk typischen Leuchtfarbe ein Muster gemalt: Die skizzierte rote Kreuzstruktur entspricht dem Muster der Leinwand „Hasard“ (1963), die sich heute in der Sammlung des Museums Ludwig in Köln befindet.

Studium mit Richter, Polke und Lueg

Manfred Kuttner (geb.1937 in Greiz/Thüringen; gest. 2007 in Erkrath bei Düsseldorf) besuchte in den 1960er Jahren zunächst die Kunstakademie in Dresden. Nach seiner Übersiedlung in den Westen studierte er zusammen mit Gerhard Richter, Sigmar Polke und Konrad Lueg in der Klasse von Karl Otto Goetz an der Düsseldorfer Kunstakademie. 1963 organisierten Kuttner, Lueg, Polke und Richter in einem Düsseldorfer Ladenlokal in der Kaiserstraße 31a die erste Ausstellung deutscher Pop-Art.

In nur vier Jahren (von 1961 – 1964) schuf Kuttner ein Werk mit einer ganz eigenen Formensprache – vor allem Malerei, Zeichnungen und Plastik. „A-Z“ ist das einzige Filmprojekt des Künstlers. Im Jahr 1965 brach Manfred Kuttner seine künstlerische Laufbahn ab.
Kuttners frühes Werk war u.a. im Rahmen der Ausstellung „The artists dining room“ (2007) in der Tate Modern in London zu sehen (zusammen mit Arbeiten von Anselm Reyle und Thomas Scheibitz). „Westlondonprojects“ in London und Johann König, Berlin zeigten Werke Kuttners.

(Aus konservatorischen Gründen wurde das auf 8mm produzierte Unikat „A-Z“ (1963) für die Ausstellung auf 16 mm Material übertragen.)